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Donnerstag, 25. August 2011

Resümee einer Tagung über das Altwerden in der Euregio Egrensis

Resümee einer Tagung über das Altwerden in der Euregio Egrensis

Der Hofer Verein BSI e.V. (die Buchstaben stehen für Bildung, Schulung und
Information) setzt auf die Euregio Egrensis mit ihren böhmischen, sächsischen, thüringischen und bayerischen Teilen. Anfang des Jahres ermutigte er mit dem Informationsforum ?Initiation.Europäische Lebenswege" Schüler aus Cheber und Hofer Gymnasien, sich auch im Nachbarland ausbilden zu lassen. Dann lieferte der Verein - in Kooperation mit der Ev. Heimvolkshochschule Bad Alexandersbad - unter dem Titel "Blühende Grenzen.Perspektive für die Euregio Egrensis" eine grenzüberschreitende Bestandsaufnahme des Naturschutzes und der Umweltplanung in der Euroregion

Und jetzt trat der BSI e.V. und die Stadt Asch gemeinsam mit der ebenso informativen wie anregenden Fachtagung "Fünfzig und darüber.Potenzial für die Euregio Egrensis" hervor. Harald Ehm, der Geschäftsführer der Euregio Egrensis und Förderer des Projekts, stellte zudem erfreut fest, dass es die
erste gemeinsame deutsch-tschechische Tagung zur Versorgung alter Menschen in der Euroregion sei.

Informationsdefizite

Wie wichtig das begonnene Gespräch über dieses große Thema ist, verraten die gegenseitigen Informationsdefizite über das Gesundheitswesen. Es befindet sich hier wie dort in einem tief greifenden Wandel mit noch unabsehbaren Folgen. Denn das Gesundheitswesen ist zum Beispiel in Deutschland ein Beschäftigungsmotor, der durch die demografische Entwicklung Schwung erhält. Mehr als zehn Prozent aller Erwerbstätigen sind unterdessen schon in diesem Bereich beschäftigt, und die Caritas ist der größte Arbeitgeber in Deutschland.

Simone Frommelt von der Hans-Weinberger-Akademie (München) bringt den sich über Jahrzehnte erstreckenden Umbau in Deutschland auf den Punkt: "Früher lag das Hauptgewicht der Arbeit in der Heilung, jetzt in der Vorsorge." Außerdem spielt die häusliche bzw. ambulante Versorgung im Vergleich zur stationären eine zunehmend wachsende Rolle. Die Gründe dafür sind vielfältig. Die Einführung der Pflegeversicherung 1995 zählt ebenso dazu wie die fortschreitende Rationalisierung und Kostendämpfung im Pflegebereich.

Ein neues Berufsbild

Dieser Anpassungsprozess führt nun einerseits zu neuen Anforderungen an Pflegekräfte, Patienten und Angehörige und schafft andererseits den Boden für neue Dienstleistungen. "Der BSI e.V. ist deshalb dabei", erklärt Geschäftstellenleiter Dr. Gunter Billing, "ein neues Berufsbild zu
entwickeln: die Seniorenfachkraft, die Menschen über fünfzig und deren Angehörigen in allen Fragen und Nöten beistehen können soll."

Das tschechische Gesundheitswesen ist nun zwar auch schon mit der Überalterung der Gesellschaft konfrontiert, ist aber als neues EU-Land momentan noch sehr mit dem sozialistischen Erbe beschäftigt. Der Ascher Stadtrat und Leiter eines Kinderheims Dr. Miroslav Rákos erläutert: "In Tschechien wird schon seit zehn Jahren über eine neue gesetzliche Regelung der Altenpflege diskutiert." Die gültige Rechtsgrundlage datiert aus den sechziger Jahren, ist mithin, formal gesehen, noch weit entfernt vom EU-Standard.

Spielräume und Modelle

Wie mit dieser Situation amtlich umgegangen wird? Bezirksrätin Mgr. Ellen Volavková (Karlovy Vary) weist auf die unterschiedlichen Finanzierungsquellen der Pflege hin. Was den Bezirk angeht, sieht sie einen erstaunlichen Entscheidungsspielraum. Ihre Regel: "Bis das Gesetz da ist, fördert der Bezirk Städte und Einrichtungen, in denen die Dienste
funktionieren, aber auch grenzüberschreitende Aktionen für Senioren."
Wie
gut die Pflege ist oder ob neue Wege begangen werden, hängt so weitgehend von den Verantwortlichen vor Ort ab. Im Gegensatz dazu ist in Deutschland von der Finanzierung der Altenpflege bis hin zu ihrer Kontrolle schier alles reglementiert, manche sagen, zu Tode reglementiert, und es bleibt Modellprojekten wie zum Beispiel dem Nürnberger Pflegenetzwerk überlassen, neue Wege zu finden.


Dort schlossen sich Ärzte zusammen. Ihr Zauberwort ist die "integrierte Versorgung", die einerseits Patienten und Angehörige umfassend berät und weiter begleitet und andererseits die Kosten mindert; zum Beispiel durch Vermeidung von Doppeluntersuchungen, genaue Planung der Behandlungsschritte. Simone Frommelt fordert: "Wir müssen neu denken. Früher war es für den Arzt gut, viele Patienten viel zu betreuen. Jetzt ist das Ziel des Arztes, mit wenig Betreuung besser zu versorgen."

Kaufkraft im Alter

Aber es gibt noch einen weiteren großen Unterschied zwischen den Menschen über Fünfzig und darüber in den beiden Nachbarländern. Die durchschnittliche Kaufkraft der Rentner ist in Tschechien viel größer als in Deutschland. Die Mietkosten, auch die im "Betreuten Wohnen", fressen die Rente keineswegs auf. Das billige Wohnen mag zum sozialistischen Erbe gehören, aber momentan kann ein Rentner im Nachbarland die Miete ohne weiteres für lange Jahre tragen und sich außerdem noch Dienstleistungen, Anschaffungen und Unterstützung der Kinder leisten.

Wie die Lage in Oberfranken ist, sagt Peter Meyer von der Regierung Oberfranken (Bayreuth) mit ein paar dürren, ernüchternden Zahlen: "Die Altenheime sind inzwischen zu neunzig Prozent reine Pflegeheime. Das durchschnittliche Eintrittsalter ins Pflegeheim liegt bei 86 Jahren - vermutlich aus finanziellen Gründen wird der Eintritt immer weiter hinausgeschoben. Die durchschnittliche Verweildauer ist zwei Jahre."

Über einen Punkt waren sich die TeilnehmerInnen der Tagung einig: So unterschiedlich wie sich das Altwerden in Deutschland und Tschechien auch darstellt, die Entwicklung der Altersstruktur zwingt hier wie dort zum Nachdenken. Welche Arbeit können ältere Menschen sinnvollerweise leisten? Was können halbleere Städte und ihre Bürger für Zuwanderung und Nachwuchs tun? Gibt es Möglichkeiten für kostengünstige, grenzüberschreitende Projekte im Seniorenbereich? Wie sehen die neuen Berufsbilder im Bereich der Altenversorgung (im weitesten Sinn des Wortes verstanden) aus?

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