Dieses Blog durchsuchen

Mittwoch, 2. November 2011

Wenn Versicherer Patientendaten begehren

Anfragen zu Patienten, die kommen immer öfter auch von privaten Versicherungen. Das Problem: Fehlt dem Versicherer die Einwilligung des Patienten, könnte Ärzte eine Schadenersatzpflicht treffen.

Per Gesetz müssen Patienten ihre Ärzte für jede Anfrage neu von der Schweigepflicht entbinden.

BONN. Die meisten Ärzte haben täglich mit Versicherungsanfragen zu tun. Besonders heikel sind hier die Anfragen von privaten Versicherungsgesellschaften, also Anfragen privater Kranken-, Lebens- und Unfallversicherer.
Schweigepflichtentbindung des Patienten sollte vorliegen

Denn diesen dürfen Ärzte nur dann Auskunft geben, wenn eine wirksame Schweigepflichtentbindung des Patienten vorliegt. Verstöße sind strafbar, berufsrechtswidrig und können zum Schadensersatz verpflichten.

Zwar sind solche Verfahren gegen Ärzte selten, mit der erhöhten Sensibilisierung unserer Gesellschaft für Belange des Datenschutzes ist aber in Zukunft eine Zunahme solcher Auseinandersetzungen zu erwarten.

Doch private Versicherer sind nicht dumm: Sie lassen sich beim Abschluss des Versicherungsvertrages in der Regel eine Schweigepflichtentbindung des Versicherungsnehmers unterschreiben. Je nachdem, wann der Versicherungsvertrag abgeschlossen wurde, haben diese Schweigepflichtentbindungen jedoch einen unterschiedlichen Wortlaut.
Seit 2006 gelten Einwilligungen häufig nur drei oder fünf Jahre

Früher wurde häufig eine umfassende, für die gesamte Dauer des Versicherungsverhältnisses unbeschränkte Einwilligungs- und Schweigepflichtsentbindung verlangt.

Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 2006 wurden die Einwilligungen dann dahingehend geändert, dass sie nur für eine gewisse Zeit nach Abschluss des Versicherungsvertrages, häufig drei oder fünf Jahre, gelten.

Nach dem im Jahr 2009 in Kraft getretenen Versicherungsvertragsgesetz kann der Versicherungsnehmer aber verlangen, dass eine Datenerhebung durch die Versicherung nur erfolgt, wenn er im Einzelfall eingewilligt hat, eine generelle Schweigepflichtentbindung liegt dann nicht vor.

Das Problem: Der jeweilige Arzt hat dadurch von diesen Details keine Kenntnis und kann sie auch mit vertretbarem Aufwand nicht erlangen.
Strafrechtlich können Ärzte wohl nicht belangt werden

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Patient die Schweigepflichtentbindung jederzeit gegenüber seiner Versicherung widerrufen kann. Auch von einem etwaigen Widerruf wird der Arzt regelmäßig keine Kenntnis haben. Er kann sich also nicht sicher sein, ob eine Schweigepflichtentbindung für die konkrete Anfrage vorliegt oder nicht.

Allerdings versichern die anfragenden Versicherungen regelmäßig in Form eines "Textbausteins", dass eine Schweigepflichtentbindung vorliege. Kann sich der Arzt auf die Richtigkeit dieser Erklärung verlassen? Im Hinblick auf strafrechtliche Konsequenzen wird man dies bejahen können.

Eine strafbare Verletzung von Privatgeheimnissen liegt nicht vor, wenn der Arzt irrig das Vorliegen einer Schweigepflichtentbindung annehmen durfte. Wenn die anfragende Versicherung dies versichert, so wird der Arzt auf die Richtigkeit dieser Aussage vertrauen dürfen. Rechtsprechung hierzu liegt allerdings noch nicht vor.
Schadensersatzansprüche des Patienten bei fahrlässigem Handeln

Aber: Schadensersatzansprüche des Patienten können auch bei fahrlässiger Nichtbeachtung der Schweigepflicht entstehen.

Da inzwischen viele Datenschutzbeauftragte in ihren Veröffentlichungen darauf hinweisen, dass Schweigepflichtentbindungen unwirksam sein können und sie im Übrigen jederzeit widerruflich sind, wird man bei einer unreflektierten Antwort auf die Anfrage der Versicherung fahrlässiges Handeln nicht ausschließen können.

Doch wie sollen Ärzte sich nun verhalten? Im Ergebnis ist jedem Arzt zu raten, vor der Beantwortung einer Versicherungsanfrage die Einwilligung des Patienten einzuholen. Die Einwilligung muss in die konkrete Anfrage erfolgen - dem Patienten muss also bekannt sein, was seine Versicherung wissen will.
Der Arzt sollte sich schriftlich vom Patienten absichern lassen

Der Arzt sollte sich also entweder vom Patienten unterschreiben lassen, dass dieser der Beantwortung der konkreten Versicherungsanfrage zustimmt oder er sollte - dies ist der rechtlich am naheliegendste Weg - den Versicherten entscheiden lassen, ob er die Daten weitergeben möchte oder nicht.

Der Arzt ist nämlich gegenüber der privaten Versicherung nicht selbst zur Beantwortung verpflichtet. Er kann also die Anfrage beantworten und Anfrage nebst Antwort dem Patienten übergeben und diesem anheimstellen, die Antwort an seine Versicherung zu senden oder nicht.

Sowohl die Beantwortung als auch die Nichtbeantwortung können für den Versicherten nachteilige Folgen haben. Hierüber muss der Arzt allerdings nicht und schon gar nicht im Detail informieren, da dies Rechtsberatung wäre, die ihm verboten ist.
Der Datenschutz macht vor, wie es geht

Der Landesdatenschutzbeauftragte Schleswig-Holsteins formuliert dies wie folgt: "Das Einschalten des Patienten gibt nicht nur dem Arzt die Gewissheit, befugt Patientendaten zu offenbaren, sondern gewährleistet auch das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Patienten auf bestmögliche Weise.

Der Patient hat es dann in der Hand, über die Weitergabe seiner Daten im Einzelfall zu entscheiden." Hippokrates hat dies vor ca. 4200 Jahren ähnlich formuliert: "Was ich bei der Behandlung oder auch außerhalb meiner Praxis im Umgange mit Menschen sehe und höre, dass man nicht weiterreden darf, werde ich verschweigen und als Geheimnis bewahren."

Dr. Ingo Pflugmacher ist Fachanwalt für Medizinrecht und Partner der Anwaltskanzlei Busse & Miessen in Bonn.