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Montag, 12. Juli 2021

Pflegerinnen klagen Mindestlohn ein

Experten haben es schon lange kommen sehen:

Osteuropäische Pflegekräfte gehen auf die Barrikaden und klagen den gesetzlichen Mindestlohn ein.

Und ein Urteil des Bundesarbeitsgerichtes gibt ihnen RECHT !

Sie kochen, putzen, kaufen ein, helfen alten Menschen bei der Körperpflege und leisten ihnen Gesellschaft: Zehntausende Betreuungskräfte aus dem Ausland arbeiten in deutschen Haushalten. Zu ihrer Bezahlungen hat das Bundesarbeitsgericht  in Erfurt ein Grundsatzurteil gefällt, das nach Einschätzung von Fachleuten Auswirkungen auf die Pflege zu Hause haben wird. Den ausländischen Arbeitnehmern, die Senioren in ihren  Wohnungen   betreuen, stehe der gesetzliche Mindestlohn zu, urteilten die höchsten deutschen Arbeitsrichter (5 AZR 505/20).

Der Mindestlohn gelte auch für Bereitschaftszeiten, in denen die zumeist aus Osteuropa stammenden Frauen Betreuung auf Abruf leisteten. "Auch Bereitschaftsdienstzeit ist mit dem vollen Mindestlohn zu vergüten", sagte der Vorsitzende Richter Rüdiger Linck in der Verhandlung. Er machte deutlich, dass Bereitschaftsdienst auch darin bestehen könne, dass die Pflegehilfe im Haushalt der Senioren wohnen müsse "und grundsätzlich verpflichtet ist, zu allen Tag- und Nachtstunden bei Bedarf Arbeit zu leisten".

"Das Urteil löst einen Tsunami aus"

"So nachvollziehbar die Entscheidung auch ist. Das Urteil löst einen Tsunami aus für alle, die daheim auf die Unterstützung ausländischer Pflegekräfte angewiesen sind", erklärte Eugen Brysch, Vorstand bei der Deutsche Stiftung Patientenschutz in Dortmund. Es sind nach seinen Angaben mindestens 100.000 ausländische Helfer offiziell in deutschen Haushalten beschäftigt. Hinzu kämen schätzungsweise 200.000 Menschen, die ohne schriftliche Vereinbarung als Betreuungskraft arbeiteten. Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, sagt den Zeitungen der Funke Mediengruppe, nach dem Urteil drohe der häuslichen Pflege ein "Armageddon".


Sieben Tage die Woche, 24 Stunden täglich

Dafür sei sie 24 Stunden täglich an sieben Tagen in der Woche für eine über 90 Jahre alte Frau in deren Wohnung in Berlin da gewesen. Selbst nachts habe die Tür zu ihrem Zimmer offenbleiben müssen, damit sie auf Rufe der Seniorin reagieren konnte. Laut Arbeitsvertrag sollte ihre Arbeitszeit 30 Stunden wöchentlich betragen - bei einem freien Wochenende.

Angesichts der großen Versprechungen sei die vereinbarte Arbeitszeit eher niedrig veranschlagt worden, fand der Richter. "Das sind Dinge, die sind nicht rund." Die Auftraggeber in Deutschland zahlen in der Regel an die Firmen in den Herkunftsländern der Helferinnen vor allem aus Bulgarien, Rumänien, Polen oder der Ukraine.

"Hätten wir ausländische Pflegekräfte nicht, wäre häusliche Pflege schon zusammengebrochen"

"Hätten wir die ausländischen Pflegekräfte nicht, wäre die häusliche Pflege schon zusammengebrochen", sagte Brysch von der Stiftung Patientenschutz. Rund 3,3 Millionen Menschen, die pflegebedürftig sind, lebten in Deutschland zu Hause. Die Gewerkschaft Verdi, deren Mitglied die Klägerin ist, sowie die Bundestagsfraktion   der Linken sprachen von teilweise ausbeuterischen Zuständen. Auch der Bundesverband der Betreuungsdienste beklagte teils unhaltbare Arbeitsbedingungen Zehntausender osteuropäischer Betreuungskräfte in Privathaushalten.

"Es ist beschämend, dass in unserem Land viele pflegebedürftige Menschen und ihre Familien auf eine sogenannte 24-Stunden-Pflege zurückgreifen müssen, weil das offizielle System keine ausreichende Unterstützung bietet", erklärte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. "Das Modell, Frauen meist aus osteuropäischen Ländern im Haushalt des hilfebedürftigen Menschen wohnen und arbeiten zu lassen, um immer auf jemanden zurückgreifen zu können, basiert auf systematischem Gesetzesbruch."

Die Klägerin verlangte für sieben Monte Arbeit im Jahr 2015 bei der Seniorin in Berlin rund 43.000 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter knapp 7000 Euro netto. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg sprach ihr Mindestlohn für 21 Stunden pro Kalendertag zu - die Arbeits- und Bereitschaftszeit wurde dabei geschätzt. Diese Entscheidung hat nach dem Urteil der Bundesarbeitsrichter keinen Bestand. Die Erfurter Richter verwiesen den Fall der bulgarischen "Sozialassistentin" an das Landesarbeitsgericht zurück. Es soll die Arbeitszeit und die Höhe der Nachzahlung nochmals prüfen.


Rechnet man diesen Fall einmal auf 36 Monate durch so ergeben sich bei 11.60 Mindestlohn je Stunde, angenommenen 21 Stunden Arbeitszeit je Tag insgesamt Zahlungsansprüche in Höhe von 263,088 EURO.


Da wird sicher so manche Pflegekraft auf die Idee kommen den ehemaligen deutschen Arbeitgeber auf Zahlung dieses Mindestlohnes zu verklagen.

Denn selbst wenn der gepflegte Patient mittlerweile verstorben sein sollte so kann die Klage gegen dessen Erben gerichtet werden.

Und da wohl viele Pflegekräfte ihre Klage in Deutschland auch unter Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe einreichen können haben sie noch nicht einmal ein eigenes finanzielles Risiko bei dieser Klage.


Wir werden über diesen Sachverhalt weiter berichten.